Warum Functional Training kein Trend ist. Und warum du freies Training dem an Geräten vorziehen solltest.
Ein Plädoyer für Functional Training
Natürliches Training
Machen wir eine kleine Zeitreise und denken uns zurück in die Zeit als wir als Höhlenmenschen waren, als Naturvölker, zu Zeiten der Römer und Griechen oder im Mittelalter gelebt haben. Die wenigsten Menschen haben zusätzlich zum beschwerlichen Leben Sport getrieben. Der Alltag war Training genug! Es wurde von Hand gebaut, geackert, getragen oder weite Strecken zu Fuß zurückgelegt. Offensichtlich war es dadurch möglich, schlank, athletisch, kräftig und ausdauernd zu sein – das was für Menschen heute in der Regel die Gründe sind, mit einem Sport zu beginnen (abgesehen von der reinen Freude an der gewählten Sportart). Das ist Punkt 1.
Und nun denke an ein Neugeborenes. Es arbeitet oder trainiert sich im Laufe des ersten Lebensjahres von reiner Rückenlage, ohne Kraft und Ausdauer und ohne Koordination hin zum aufrechten Stand. Es kann sich fortbewegen, sowie den eigenen Körper und die Haltung stabilisieren. Und es hat Fähigkeiten erlangt wie greifen, werfen, Dinge aufheben, daran zu ziehen und Vieles mehr. Das ist Punkt 2.
Aus den beiden oben beschriebenen Punkten geht hervor, dass sich unsere körperlichen Fähigkeiten und unser optisches Erscheinungsbild durch die Anforderungen des Alltags und des Lebens entwickeln lassen. Es geschieht eine Anpassung. Das nennen wir grob gesagt Training.
Training durch das eigene Körpergewicht, durch die Schwerkraft und durch zusätzliche Objekte. Und immer in Form von vollständigen Bewegungen.
Das nennt man heute Functional Training. Und manchmal wird es immer noch als Trend angesehen.
Definition Functional Training
Beim Functioanl Training oder dem Funktionellen Training geht es darum, so funktionell wie möglich zu trainieren, also der natürlichen Funktion des Körpers entsprechend. Hm, soweit so gut. Der Satz klingt logisch. Aber es wirklich zu begreifen, fällt manchmal noch schwer. Das ist ganz normal.
Was ist denn eigentlich unsere allgemeine Funktion? – das sind Stehen, Gehen, Bücken, Springen – jegliche Form der Fortbewegung auf 2 Beinen. Oder auch Krabbeln, Aufstehen, auf einem Bein Stehen, etwas vom Boden aufheben, Werfen, uns Strecken, auch Gewichte bewältigen wie Heben, Tragen usw. Und atmen, sowie unsere Haltung gegen die Schwerkraft stabilisieren. Also alles, was wir seit jeher getan haben als Jäger und Sammler, als alte Griechen, im Alltag heute und auch in unserem Entwicklungsstadium als Kleinkind.
Was wir dagegen nicht getan haben und auch nicht in unseren Genen liegt, ist fixiert zu sein. So, dass wir unsere Haltung zum Beispiel an eine Bank mit Rückenlehne abgeben können und isoliert nur einen Muskel bewegen.
Ziele und Effekte des Functional Trainings
Übersetzen wir die etwas holprige Definition in etwas Verständlicheres. Beim Functional Training nimmt uns zum Beispiel kein Gerät die Haltung ab. Wir trainieren in verschiedenen Ausgangspositionen und müssen zum Einen eine Bewegung durchführen, zum Anderen stabilisieren wir unsere Haltung dabei selbst. Wir trainieren mit dem eigenen Körpergewicht oder bedienen uns zusätzlichen Kleingeräten wie Gummibändern, Hanteln, instabile Unterlagen oder Ähnlichem. Und wir haben einen Anspruch an eine saubere technische Ausführung, indem wir verschiedene Prinzipien berücksichtigen.
Dadurch trainieren wir automatisch in sogenannten Muskelketten. Es ist also nicht nur ein Muskel und ein Gelenk beteiligt, sondern mehrere. Im besten Fall der gesamte Körper. Und zwar immer im optimalen Verhältnis zueinander. So wie die Natur das vorgesehen hat. Durch Training in Bewegungen statt in einzelnen Muskeln erfährt außerdem unser zentrales Nervensystem ebenfalls einen sinnvollen und gesunden Trainingsreiz.
Zum Vergleich: sitzen wir an einem Gerät, wird häufig nur ein Glied einer Muskelkette trainiert, und wir müssen das Gerät fürs nächste Glied wechseln.
Im Alltag begegnen uns solche Situationen eigentlich nirgends. Gerätetraining im konventionellen Sinn ist also kaum funktionell. Über einen langen Zeitraum hinweg isoliert zu trainieren, kann zu einem Dys-Verhältnis der einzelnen Kettenglieder führen, das so nicht in unserem Bauplan vorgesehen war, also unfunktionell ist. Dadurch können Schmerzen und Verletzungen entstehen.
Je funktioneller ich trainiere, desto besser ist meine Performance in jeglicher Sportart. Desto schmerzfreier, „fitter“ und belastbarer sind wir im Alltag. Jemandem beim Umzug zu helfen, Gartenarbeit, Schneeschippen, Haushalt, etc. können wir besser meistern.
Und fast schon nebenbei erreichen wir durch Functional Training alle gewünschten Figurziele (von Bodyshaping bis Muskelaufbau) auf gesunde Art.
Wie kann es also ein Trend sein, den Körper als Ganzes einzusetzen, um sich schnell fortzubewegen, etwas weit zu werfen, etwas Schweres zu stemmen, ein Hindernis geschmeidig zu überwinden? Kann es Trend sein, seinen Körper als Ganzes zu benutzen wie wir alle es als Babys von Anfang an getan haben?
Verletzungsgefahren
Im Fitnessstudio herrscht noch häufig die Meinung, dass Functional Training mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergeht und man deswegen erst nach einiger Zeit so trainieren sollte.
Es ist absolut richtig, dass Verletzungsgefahren überall bestehen. Wie auch im ganz normalen Alltag. Wenn mich zum Beispiel ein guter Bekannter fragt, ob ich ihm beim Umzug helfen kann, muss ich dann ablehnen wenn ich noch nicht lange genug an den Geräten trainiert habe? Macht der Hausbesitzer erst Maschinentraining, bevor er den Schnee im Winter wegschippen darf? Diese Fragen dürfen mit einem Augenzwinkern gestellt werden.
Und auch gefragt werden, darf: kann man sich an Maschinen nicht verletzen, die einen in Winkel zwingen, an denen Hebel und lokale Höchstbelastungen auf Muskeln oder Gelenken wirken?
Ja, man kann sich beim Functional Training unachtsam verhalten. Überschätzung, zu hohe Gewichte, fehlende Stabilität und unsaubere Bewegungsausführungen können ggf. auch hier zu einem Schaden führen.
Nur kann das Verletzungsrisiko nicht als tragbares Gegenargument verwendet werden, und der gesunde Mensch und Sportler sollte sich immer für das funktionelle freie Training entscheiden, wenn er die Wahl hat.
Dabei müssen alle Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt werden, die im Allgemeinen für jedes Training gelten, sowie die oben bereits erwähnten Trainingsprinzipien. Und für beides sollte sich der Sportler bei Weisungsbedarf an einen Trainer wenden.
FAZIT
Functional Training bedeutet, in natürlichen Bewegungsmustern zu trainieren. Damit ist es universell und für jeden Menschen in angepasster Form möglich und sinnvoll. Egal, ob wir ein sicherer Fußgänger werden oder unseren Golfabschlag verbessern wollen. Es gilt wie bei allen anderen Sportarten auch, Sicherheitsmaßnahmen zu berücksichtigen und besonnen zu trainieren.
Und es ist definitiv kein Trend.
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